Das normale Wohlfühlklima während der Sommermonate am HGW: Es ist warm und die Luft ist feucht in der Aula. Und dennoch: Für das Theaterstück des Abends sind klebende Hemden und Schweißperlen auf der Stirn absolut passend. Denn es titelt immerhin „Das Haus in Montevideo“, und die Hauptstadt Uruguays besitzt völlig bekanntermaßen ein immerfeuchtes subtropisches Klima.

Eher schwül-bedrückend geht es anfangs auch im Stück zu, das Curt Goetz Anfang der 1950er Jahre verfasst hat. Wir erleben eine Familienszene, der Vater tyrannisiert die Familie und weidet sich an lateinischen Sentenzen und den eigenen Moralvorstellungen. Die hat er vor Jahren auch gegenüber seiner Schwester walten lassen, die er aufgrund eines unehelichen Kindes, das sie mit siebzehn Jahren bekommen hatte, aus der Familie verstoßen hatte. Höflich formuliert. Das rächt sich jetzt, und zwar posthum. Die Schwester ist verstorben, das Testament lockt mit Dollar, und auf geht es zum Antritt des Erbes, das, keiner kann es sich erklären, der siebzehnjährigen Tochter namens Atlanta zugedacht ist, nach Montevideo, wo die Erbtante lebte und …

Die weitere Handlung ist köstlich: Auf der Bühne beziehungsweise in Montevideo tummeln sich bald ein „teutscher“ Moralapostel samt Pastor in einem eher als schwül zu bezeichnenden Etablissement, dann der nachreisende Verehrer der Atlanta, geradezu (auf-)reizende junge Damen und über alledem die Realpräsenz der verstorbenen schwesterlichen Rache. Das Ende entzückt ohne zu moralisieren.

Ein herrlich-komisches, von der Truppe feinsinnig und mit viel Gefühl für Nuancen und Details gespieltes Stück ist „Das Haus in Montevideo“. Mit dem letzten Aufführung in der diesjährigen Theatersaison bewiesen die jungen Schauspielerinnen und Schauspieler des HGW wieder großes Können. Niemand in der Aula hätte diesen Abend missen mögen, trotz der Schwüle.

Ralf Skoruppa